Im Sarkophag 2

Aus mit der Ruhe!

Kapitel 3 Aus mit der Ruhe
Kapitel 4 Ich kaufe mir die Welt
Kapitel 5 Bei den Gutachtern
Kapitel 6 Die beste Katastrophe

Ich konnte machen, was ich wollte,
stets war mir Michas Wort im Ohr.
Und wenn ich meine Augen schloss,
schoss innen drin manch Licht hervor.

In meinem Munde formten sich
bald Worte anderer Qualität,
denn vorher hatte sich mein Leben
nur um den Alltag stets gedreht.
Das Allerwunderlichste aber,
was ich ganz neu in mir vernahm,
das war mein tiefer runder Atem,
durch den mein Leib zum Kribbeln kam.

So hatte ich, ich muss gestehen,
den Körper vorher nie entdeckt.
Ich wusste gar nicht, was für Feuer
in meinen alten Knochen steckt.
Wie kann´s das Leben mir verschönen,
da könnte ich mich dran gewöhnen.

Sehr schade, das war wohl mein Fehler,
den Michael so zu vergraulen. 
Doch ist der Micha selber Schuld.
Ich hab´ das Recht, bös aufzujaulen, 
wenn jemand meine Ruhe stört.
Jawohl, das war ganz unerhört!
Denn Ruhe ist dem Menschen heilig
und nur Verrückte habens eilig.

Was mach ich nun in meinem Frust,
wenn ich schon nicht mehr schlafen kann?
Ich hab zu überhaupt nichts Lust,
was vorher mir so gut getan.
Will immer wieder dieses Kribbeln,
will´s Tag und Nacht und immerzu.
Ich bin ganz wild nach diesem Kribbeln,
wo bleibt denn meine Grabesruh?

Ich habe mich doch gut gefühlt 
in meinem Monument aus Stein.
Sollt diese Art Bequemlichkeit
jetzt etwa schon zu Ende sein?
Muss ich mich wirklich gleich entscheiden?
Will lieber noch ein bisschen leiden.
Paar tausend Jahre in meinem Kahn,
die hinge gern ich nochmal dran.

Wen könnt´ ich bloß zu Rate ziehen
in meinem ständigem Bemühen
nur immer alles recht zu tun?
Da frag ich mich, was wird denn nun?
Mit meiner Ruhe ist´s vorbei,
doch ich kann mich nicht leicht entscheiden.
Ich zieh erst mal ein Resümee
über die längst vergangenen Zeiten.

Ich hab mir meine Außenwelt
auf´s Allerfeinste hergestellt.
Paradebeispiel Wissenschaft:
Sie hat die ganze Welt durchdrungen.
Und ich muss sehr respektvoll sagen:
Es ist den Brüdern viel gelungen. 
Allein die ganzen Doktortitel!
Ich sinke wahrhaft in den Staub.
Ich hab´den Kram zwar nie begriffen,
Hauptsache aber, dass ich´s glaub´.

Und dann die vielen Religionen!
Die habe alle ich erfunden.
Was nicht mein Kopf erfassen konnte,
hab ich am Glauben festgebunden.
Warum? Ich hab ein Brett vorm Kopf.
Stammt noch von meinem Niedergang.
Doch weil das keiner merken sollte,
reimt´ ich mir einiges zusammen.

Ich warf mir eine Robe drüber,
mal bunt, mal schwarz, wie´s gerade lief,
schon hielt ich meine Welt in Schach,
denn die war noch recht primitiv.
Die Religionen waren nützlich,
wiesen sie doch zum Himmel hin.
Auch damals hat mein Engel Micha
mir mitgeteilt den wahren Sinn.

Mit diesem wahrem Himmelswort
war aber wenig anzufangen,
da konnte locker jeder Mensch
zur eignen Wahrheit hingelangen.
Ob dieses aber nützlich wäre,
ob dieses gar notwendig sei?
Wird meine Welt mich dann noch brauchen?
Denn Wahrheit macht die Menschen frei.

Was brauchen Leute einen Lehrer,
wenn sie doch alles selber wissen?
Was brauchen sie denn einen Führer,
wenn sie im Leben nichts vermissen?
Will ich ihr Meister sein und Chef,
muss ich erst Mangel installieren
und sie sodann mit viel Trara
zu meiner Überzeugung führen.

Dann bin ich Chef in meinem Land,
dann habe ich sie in der Hand.

So schnürte ich das ewige Licht,
aus meiner Pyramidenspitze
ein wenig ab und dimmte es,
damit die Dunkelheit mir nütze.
Denn Licht verführt zum Tätigsein,
doch dafür hatt´ ich wenig Sinn.
Im Dämmerlicht ist gut zu ruhen.
Ich leg mich noch ein bisserl hin.

Da kam ein kluger Sachberater –
wohl aus der Konkurrenzfraktion –
und hat die Sache leicht verbessert:
Sonst bringt das nichts, du hoher Sohn.“
Ich solle nicht dem Micha glauben,
der wär aus einer andern Welt
und hätt tatsächlich keine Ahnung,
was hier auf Erden wirklich zählt.


Du musst die Religionen schmücken 
mit allerhand Brimborium!
Schläfre die Leute damit ein!
Bring sie zum Fürchten! Mach sie dumm! 
Dies macht es für dich angenehm,
ansonsten kriegst du ein Problem.
Ich will dir gerne dabei helfen,
das kostet keine müde Mark.
Der Michael wird´s gar nicht merken,
versteht doch eh´ nix vom dem Quark.“

Er musste gar nicht viel verändern,
ich staunte nur, wie schnell das lief.
Da wurde erst die Sache nützlich,
für´s dumme Volk, so primitiv.
Jetzt lief die Sache wie geschmiert,
ich hatte meine Macht probiert.
Jetzt war die Wahrheit so verborgen,
da sah ich selber nicht mehr klar.
Doch war in allen Lebenslagen
mein freundlicher Berater da.
Der hat die Sache mit Bedacht
zu seiner eigenen gemacht.
Was für ein wundervoller Mann,
auf den man sich verlassen kann!


„Ich schwöre dir auf Treu und Ehre,
dass deine Sache meine wäre.
Nimm deine Pflichten nicht so schwer,
ich dien´ dir gern als Sekretär.“

Nun braucht´ ich nicht mehr viel zu tun
und konnt´ entspannt im Sarge ruhen.
Erstaunlich, wie solch feiner Mann
den ganzen Laden schmeissen kann.
Jetzt endlich konnte ich mich pflegen,
und döste oft den ganzen Tag
und abends ging´s dann auf die Piste,
derweil man auch mal feiern mag.
Am Morgen war ich meist betütelt, 
dann kam mein Sekretär ans Bett
und überreichte mir paar Mappen,
die ich zu unterschreiben hätt´.

Natürlich wollt´ ich alles prüfen,
und schaute alles gründlich an.
Weiß man, ob man dem Sekretär
auf Dauer auch vertrauen kann? 
So nahm ich´s zwar in Augenschein,
doch meistens schlief ich dabei ein.
Ich wusste nie, ob alles stimmt.
Auch mein Verstand war abgedimmt.
Trotzdem gelang mir´s stets im Liegen,
die Unterschrift auch hinzukriegen.
Ich weiß ja, was ich so gehört,
auf Ordnung leg ich großen Wert.
Denn schließlich war dies meine Welt,
und ich muss dafür grade stehen,
wenn meine anvertrauten Dinge
mir einmal in die Binsen gehen.
Nur selten hab ich mich gefragt,
was wohl der Micha dazu sagt.

Ich konnt´ den Micha nicht vergessen.
Mit dem ist nicht gut Kirschen essen,
wenn man auf seine Regeln pfeift
und immer nur daneben greift.

Da musst´ ich aber gar nichts fürchten,
mein Helfer war ein edler Mann.
Bescheiden, fleißig, hilfsbereit,
stand er nur immer hinten an.
Es durfte nicht mal einer wissen,
dass er mir stets zur Seite stand.
Doch ehrlich, es war nur der Job,
welcher uns beide tief verband.

Sonst lief da nichts, das glaubt mir schon
Er war ´ne andere Fraktion.
Ich hatte nur die große Sorge,
dass einmal er verschwinden könnte,
weil ich mich längst in meiner Welt
nicht mehr allein zurechte fände.

Mein Sekretär war obertüchtig!
Was hatte er nicht für Ideen!
Wie blühte meine Welt schnell auf,
´s war nirgendwo zu übersehen.
Ich dachte manchmal sehr mokiert:
Wo hat der Kerl das bloß studiert?
Denn gegen diesen hellen Kopf
war ich ein richtig armer Tropf.

Und wieder hatt´ ich eine Sorge. 
Was ist, wenn dies mein Volk erfährt?
Sie sind doch mein, ich bin doch sie –
wie hätt´ ich ihnen das erklärt?
Das wäre ein Vertrauensbruch.
Ich hätte meine Welt verwirkt.
Was für´n Geschrei, wenn sich im Ei
ein fremder Embryo verbirgt?
Als Zweitbesetzung sozusagen,
falls mal der erste angeschlagen´.

Doch weil der Zweite mit dem Ei
nicht wirklich kompatibel ist,
würd´ dann die Welt zum faulen Ei,
und das wär dann der größte Mist.
Obwohl, ich muss es ehrlich sagen,
das hat sich oft schon zugetragen.

Mein Helfer wusste besten Rat.
Er ist nun mal ein Mann der Tat.
Ein paar Gedanken hin und her –
schon haben wir´s: das Militär!
Und sofort haben wir´s getan.
Die Lösung lag im Rüstungwahn!
Jetzt blühte mein Welt erst auf,
rasch ging´s den Drachenberg hinauf,
und flop – den Drachenberg hinunter,
das hielt die Leute richtig munter.

Die Wirtschaft blühte ungeahnt,
mein Sekretär hat abgesahnt,
hat er doch heimlich über Nacht
sich selbst zum Teilhaber gemacht.
Die Welt war bestens jetzt in Schuss,
und völlig ins System gekommen,
mit Konjunktur, Krise und Krieg
hat alles seinen Lauf genommen.
Das war auch völlig in der Ordnung,
denn wer nicht spurt, ist abzustrafen.
So hatt´ ich den ersehnten Frieden 
und konnte ruhig weiterschlafen.

Die Völker aber meiner Welt,
die fingen heimlich an zu murren.
Ich wär der Sache nicht mehr Herr, 
darum würd´ stets ihr Magen knurren.
Sie riefen: „Kriegst du das nicht mit? 
Dein Helfer ist ein Parasit!
Der frisst das alles ganz allein,
was einst für alle reichen konnt´!
Du sielst dich in dem Sarkophag,
und uns schickst du an eine Front.“

Ja, Fronten gab es überall,
denn tüchtig war mein General.
So pflegte sich mein Freund zu nennen,
bei seinem Einsatz für das Heer.
So konnt´ er etwas freier wirken,
und das erfreute mich doch sehr.
Wie peinlich, als im Nachtgewand
ich einmal vor den Truppen stand.

Oh, dies´ Gekreische, dieser Spott,
wie kam ich doch in große Not.
Das Johlen und den ganzen Flachs
hört´ ich sogar durch´s Oropax.
Für immer ist mir´s eine Lehre:


Steh nie im Nachthemd vor dem Heer
e!

Und dass dies nicht nochmal passiert,
da hat mein Freund gleich simpeliert
in Punkto innere Sicherheit.
Denn härter würde jetzt die Zeit.
Wer erst den Herrn im Hemd erblickt,
der schreckt vor gar nichts mehr zurück.
Das musste mir zu denken geben:
Will man mir jetzt sogar ans Leben?
Denn hinter vorgehaltner Hand
ward schlimm geflüstert nun im Land.

Wie wurden mir die Knie so weich!
Droht jetzt sogar der Welt ein Streich?
Staatstreiche gab es immer mal.
Die dienten nur der Regulierung.
Meist war´s normales Kräftemessen
von Militär und von Regierung.
Doch was mir jetzt zu Ohren kam,
war über jedes Maß infam.
So rief ich meinen General,
doch einmal seine grauen Zellen,
ganz gegen´s eherne Prinzip
mir in privaten Dienst zu stellen.

Da war mein Helfer sehr empört:

 „Solch Ansinnen ist unerhört!
Bilde dir nicht so´n Schwachsinn ein.
Ich halte mein Gewissen rein!
Meinst du, ich hab ein Krümchen nur
zu meinem Vorteil je genommen?
Hätte ich dir nicht treu gedient.
wärst vor die Hunde du gekommen!
Mit deiner Welt wär´s längst vorbei!
Verdorben wär dein Weltenei!

Schau doch die Welt in ihrer Pracht:
Das habe alles ich gemacht!
Nicht dir zuliebe! Nur der Welt 
hab ich mich stets in Dienst gestellt.
Wenn du nun in der Pampe steckst,
musst du auch sehen, wo du bleibst.
Ich helf dir nicht, wenn du durch Faulheit
und Trägheit immer tiefer treibst.
Du hast doch, das ist kaum zu fassen,
alles dem Selbstlauf überlassen.“

Das waren wirklich schlimme Worte,
die jetzt mein Diener zu mir sprach
und ich versuchte einzulenken:
“Oh bitte, denk mal drüber nach.
Wenn man womöglich mich erschlägt,
wär meine Welt ja totgelegt. 
Dann geht´s uns beiden an den Kragen.
Dann sind wir beide weggefegt.
Ich will, mein Freund, ja nicht so sein.
ich setz´ dich als Minister ein.

Im Innenministerium 
könntest du mächtig operieren
und durch Gesetze und Erlasse
mir sicheren Schutz organisieren.
Das Außenministerium,
das schenk ich dir gleich noch dazu,
dann ist mein Schutz in sicherer Hand,
und davon profitierst auch du.“

Das hätte ich nicht sagen sollen,
ich sehe seine Augen rollen
und seine Hand klopft vor die Stirn:

„Oh Chef, wo hast du dein Gehirn.“

So hinterhältig und so frech
hat mich noch niemand angeblickt:

„Was soll denn der Ministerscheiß?
Meinst du, ich wär total verrückt?
Die ganzen Ministerien, 
sind sowieso längst alle meine.
Ja, meinst du, alle diese Posten 
besetzen sich von ganz alleine?
Du hast dich doch nie drum gekümmert,
nie deine Welt organisiert!
Ich habe längst die eigenen Leute
auf solche Posten hingeführt.

Nach außen dienen sie der Welt,
doch Ich hab sie dahingestellt.
Hab sorgfältig sie ausgewählt,
wobei stets die Gesinnung zählt.
Und ich sag glatt dir ins Gesicht:
viele Freunde hast du dabei nicht.
Denn weht einmal ein anderer Wind,
sie alle MIR ergeben sind.

Ein Witz! Du willst mir Ämter schenken!
Muss sagen, selten so gelacht.
Denn ich bin ´alle deine Ämter´.
Du hast zum Hanswurst dich gemacht.
Bist jetzt erschrocken und verstört
nur um dein kleines bisschen Leben.
Hör zu! Du kannst mir gar nichts geben,
weil deine Welt mir längst gehört.
Du kannst die Welt mir überschreiben, 
dann dürftest du noch etwas bleiben.
Nun leg dich hin zur guten Ruh.
Mir fällt die Welt von selber zu.“

Also hab ich mich hingelegt,
in meinen urigen Sarkophag,
wohl wissend, dass mein Schicksal nun
in des Verräters Händen lag.
Darüber musst´ ich erst mal schlafen,
doch macht mich so was nicht nervös.
Wahrscheinlich hat er nur geblufft.
So´n feiner Mann ist doch nicht bös.

Gleich morgens ging ich zum Gericht,
denn was Recht ist, muss auch Recht bleiben.
Man kann doch wegen Müdigkeit 
mich nicht aus meiner Welt vertreiben.

Ich musste eine Nummer ziehen –
nicht vor halb drei wär mein Termin.
„Was soll das? Ich bin hier der Herr!
Wie unverschämt, mir das zu sagen!
Und wo ich hin will, geh ich hin!“
Mir platzte beinah schon der Kragen.

Das Büromäuschen wispert süß:
„Muss alles seine Ordnung haben.
Momentchen mal, ich frag den Chef.
Was war doch eben Ihr Betreff?“

„Es geht um mich und meine Welt!
„Sie hat wohl jemand herbestellt?
Haben sie schon ein Formular?
In Druckbuchstaben ausgefüllt?
Auch brauch ich Ihren Pass dazu
mit Ihrem aktuellem Bild.“

Wie war die Sache so vertrackt,
und dann bin ich zusammengesackt.
Vernahm noch durch die Doppeltür
der Richter brüllendes Gewieher.
´Es kommt der Herr, was für ein Spaß! 
Ich mach mir gleich die Hose naß!´
Eh mein Verstand mir ganz entschwand … 
war mir solch´ Stimme nicht bekannt?

Die nächste Phase meiner Reifung
brachte ich dann vor Ämtern zu.
Ich kam in keines richtig rein,
kein Amtsinhaber hörte zu:
Stets wurde ich nur abgespeist
mit Salat voller Paragraphen,
man nähme sich der Sache an, 
bis dahin sollt´ ich etwas schlafen.

Ich Narr hab immer nur gedacht,
Büroschlaf wäre angebracht.
Solch ein Gerücht wird gern gestreut,
damit das dumme Volk sich freut!
Es heißt, wer schläft, der sündigt nicht.
Oh, dieser Spruch ist fürchterlich!
Ämter sind munter wie noch nie,
stets wuseln, wirken, weben sie,
schaffen Schikanen wie noch nie
und schläfern ein das Menschenvieh
im unermüdlichem Begehren,
größer und stärker stets zu werden.

Nur so erringt auch ohne Krieg
mein Gegenherrscher stets den Sieg.
Man muss das Volk dazu bewegen,
sich über alles aufzuregen.
Das Volk muss streiten, konkurrieren,
zwanghaft gewinnen und verlieren.
Niemals darf´s eine Ruhe geben,
ein Kleinkrieg sei das ganze Leben!

Dann kneift sich´s Herz in ihm zusammen,
sein ganzer Alttag steht in Flammen
um eine Ungerechtigkeit
die manches Amt erst ausgestreut.
Das ist kein Platz für´s Miteinander,
für Gnade und für Mitgefühl.
Nur noch Papier und Selbstbehauptung
sind aller Ämter Führungsstil.

Als ich mir alles so bedachte
im Halbschlaf, vor der Ämter Wust,
als vormals eigene Entscheidung,
bekam ich auf mich selber Frust.
Ich hatte alles doch erlaubt,
die Welt mit Ämtern zugestaubt!
Es gab kein Plätzchen auf der Welt,
das nicht mit Ämtern vollgestellt.
In Wüsten, Dschungeln, an den Polen,
stets wird ein Amtsschimmel dich holen.
Die Saurierzeit war nichts dagegen,
als meine Welt, die schöne Welt,
in Schutt und Ämter nun zu legen.

In solcher Lage dacht´ ich nun:
jetzt muss ich endlich etwas tun.
Und pfiffig, wie ich nun mal bin,
kam mir die Lösung in den Sinn.

Amtsschimmel

Ich kaufe mir die Welt

Ich lag im Sarg, das sollt ihr wissen,
auf einem sanften Ruhekissen.
Dies Kissen war mein Weltvermögen,
denn ich war unermesslich reich.
Drum konnte ich auch ruhig schlafen,
mein Geldsack war so herrlich weich.

Am Anfang war er hart gewesen,
dann war´s ein beinahe leerer Sack.
Den konnte ich ganz locker tragen
auf meinem Rücken huckepack.
Ich dachte manchmal recht besorgt:
Na, ob mir dies Vermögen reicht?
Für meine endlose Entwicklung
ist dieser Sack doch allzu leicht.
Denn beim Vermögen, muss ich sagen,
hätte ich gerne mehr zu tragen.

Mein Diener, stets ein Mann der Tat,
gab mir jedoch ´nen guten Rat:


„Du solltest dein Vermögen mehren,
so ist das Ganze auch gedacht.
Willst du dein Startgeld nur verzehren, 
dann hast du dich bald arm gemacht.
Nur Arbeit macht das Leben süß.
Versuch es einfach – jeden Tag!“



Da sah ich ihn verschlafen an
„Du weißt, dass ich nichts Süßes mag.“

Ich ließ die Sache etwas ruhen,
wollt´ gründlich sie durchdenken,
Ich muss mich ums Vermögen kümmern,
wer sollt´ mir denn was schenken?

Nun gab es zur Bereicherung 
so etliche Methoden.
Es schossen längst in meiner Welt
schon Banken aus dem Boden.
Mit einem Slogan – der bezweckt, 
dass jeder dort sein Geld rein steckt.
Dort würd´ es schaffen Tag und Nacht,
ganz ohne Rast und ohne Ruh,
durch solch immense Tätigkeit 
vermehrt sich´s immerzu.

In meinem Großhirn bohrte es:
Wie kann denn so was sein?
Wie pflügt ein Geldstück einen Acker? 
Wie baut´s ein Haus aus Stein?
Wie näht ein Geldstück ein Gewand?
Wie knüpft es Korb und Matten?
Gehet die schnelle Geldvermehrung
organisch gar vonstatten?


Noch hatte ich in meinem Sarg
nie Münzen ausgebrütet,
obwohl sie dort schon ewig lagen,
schön warm und wohlbehütet.

Ich konnte das zwar nicht verstehen,
doch ich erkannte an, 
dass man mit etwas Sachverstand
sein Geld schon mehren kann.
Ich rief den Diener, denn er solle  
die Sache mir erklären.
Denn auf Gerüchte gab ich nichts,
von ihm wollt´ ich es hören.

Das Reden war ihm wohl zu dumm.
Er kippt die Hosentaschen um,
ein Häufchen Münzen rollt herau
doch keine hob er wieder auf.

„Tritt´s in den Boden! Ist nur Blech.
Mit Peanuts hab ich nichts im Sinn.“

Da kroch ich schon wie im Reflex
begierig auf dem Boden hin.
Ich kann doch diese wahren Schätze
nicht in den Boden treten lassen!
Oh je, das sind ja goldene Münzen!
Ihr wahrer Wert ist kaum zu fassen.
Da bin ich ja ein armer Mann
mit meinem Sack voll Silberlingen.
Wie reich muss wohl mein Diener sein,
mit seinem Geld so umzuspringen?

Auf einmal meldet sich mein Stolz:
„Ich lass´ mir nichts vom Diener schenken!
Nie mache ich mich abhängig,
kann meine Welt auch selber lenken.
Nun geh und nimm die Münzen mit.
Ich bin nicht auf dich angewiesen.“

Da grinst er breit mir ins Gesicht:

„Vielleicht bist du bald in den Miesen?
Wo nimmst du dann die Kohle her?
Jetzt red ich Klartext, werter Herr!
Bisher hab alles ich bezahlt,  
das Heer, die Ämter und so weiter.
Du hast nur stets repräsentiert,
doch ich war stets dein Blitzableiter.
Hast du dich denn noch nie gefragt,
woher die Gelder alle kamen?
Wie deine Größenwahnprojekte
in deiner Welt Gestalt annahmen?“

Da konnte ich nichts dazu sagen,
das ging mir stets am Sarg vorbei.
Die Welt dort draußen blieb mir fremd,
ihr Schicksal ziemlich einerlei.
Wie Schuppen fiel mir´s von den Augen:
Verloren war mein Weltenei.
Denn das gehörte längst dem Diener,
weil dieser meine Welt längst schuf.
Er ist ein wahrer Teufelsbraten,
und doch viel besser als sein Ruf.

Mein Diener war ganz sanft geworden:

„Schau dir das Elend an auf Erden.
Die Infrastruktur ist im Eimer,
rein alles muss erneuert werden.
Schulbildung hängt schon längst am Tropf,
und Krankenhäuser müssen her.
Du musst Milliarden investieren,
sonst klappt bald überhaupt nichts mehr.“

„Verrate trotzdem mir, mein Diener,
wie bist du so zu Geld gekommen?“

„Den Banken habe ich´s gegeben,
den Banken habe ich´s genommen.
Und siehst du mich als armen Mann?
Oh nein, ich bin viel besser dran.“

„Ja, wenn ich richtig mir´s bedenk,
ich nähm schon gerne dein Geschenk,
schon um die Schulden abzuzahlen,
die mir bald auf die Füße fallen.“

„Du hast das absolut erkannt.
Die Welt liegt jetzt in meiner Hand.
Ich könnte dich sehr bald erpressen,
wie willst du dann die Schulden lösen?
Mit deiner Herrschaftsarroganz
wird dir das nimmermehr gelingen.
Ich könnt´ mit einem Federstrich
dich völlig in die Knie zwingen.“

„Willst du denn alles, was ich habe?  
Willst du mir noch die Würde nehmen?“

„Oh nein, mein Herr, du sollest nur
zum klugen Handeln dich bequemen.
Wir machen einen guten Tausch.
Du nimmst die Münzen als Geschenk
und gibst mir deine Silberlinge,
unserer Freundschaft eingedenk.
Mit meinen Münzen kannst du dir
ein sorgenfreies Leben machen
und ich bezahl mit deinem Geld
die Welt und alle die andern Sachen.

Damit der Deal solide ist
und auf gar festen Füßen steht,
legen wir einen Zinssatz fest
zur sicheren Solidität.
Ist uns nicht beiden dann geholfen?
Ich zahl die Welt mit deinem Gelde.
Dann kann ich dich nie mehr erpressen,
gleich wenn ich´s wöllte.
Vielleicht denkst du im Augenblick,
du hättest alles eingebüßt,  
doch glaub mir, dass das nicht so ist.
Denn schau einmal, für mein paar Münzen
zahlst du verschwindend wenig Zinsen.
Doch umgekehrt, mein lieber Schwan,
fängt für dich erst der Wohlstand an.“

Eins muss ich meinem Diener lassen,
er weiß mich gnadenlos zu fassen.

„Was immer auch draus werden mag!
So sei es! Her mit dem Vertrag!“

Ich schlief dann eine kurze Zeit
ziemlich tief unten in dem Sarg,
besaß die Bank doch jetzt die Münzen,
auf denen ich seit ewig lag.
Doch eh ich noch zum Zweifeln kam,
da rollten schon die Zinsen an.
Bald füllte sich mein Sarkophag,
so dass ich wieder oben lag.
Viel mehr noch, als ich ausgegeben,
hatte der Zins mir eingespült.
Es hat sich meine Unterlage
auch immer härter angefühlt.
Ach, du mein wunderbarer Diener, 
was bist du doch für ein Filou!
Vor lauter Münzen kriegte ich
schon bald den Deckel nicht mehr zu.

Da fing ich an, mein Geld zu stapeln,
in meterlangen dichten Reihen
und mehr und mehr begann ich jetzt,
an meinem Gelde mich zu freuen.
Ich war auf´s Geld jetzt ganz versessen,
konnt´ alles andere drum vergessen.
Wenn wieder eine Ladung kam,
ich alles gleich in Angriff nahm.
Wenn ich´s bedenke, hatte ich
nur noch mit meinem Geld zu schaffen.
Ich wollt´ das ganze Geld der Welt 
auf diese Weise an mich raffen.

Da kommt doch mal mein Sekretär
aus reinem Zufall – so daher
und ehe ich´s verhindern kann,
rennt er an einen Stapel an.
Und wie der erste Stapel schwankt,
so kippt er gleich den nächsten um.
Im wahren Dominoeffekt 
kracht alles nieder. Oh wie dumm!
Da lag es nun, mein Lebenswerk:
edles Metall auf einem Berg.

„Mein wundervolles teures Silber! 
Um Himmels Willen, tritt nicht drauf!
Du hast die Stapel eingerissen,
jetzt baust du sie auch wieder auf!“

„Du bist wohl närrisch, dummer Herr,
das ist doch längst kein Silber mehr.
Ich spiel doch nicht mit deinem Blech,
da ist zu kostbar mir mein Leben!
Räum selber deinen Krempel weg, 
kannst´s in die Schrottpresse ja geben.“

Jetzt war ich wirklich tief erschüttert
und über jedes Maß verbittert.
Betrug, Verrat ist überall!
Ach, dass doch gleich die Welt einfall!
Jetzt war ich wieder tief geknickt,
ein Engel, der in Blech erstickt!

Mein Diener hat dann eingelenkt
und reinen Wein mir eingeschenkt,
´s wär seine Absicht längst gewesen,
die Geldmanie mir aufzulösen.
Denn dieses wäre wirklich dumm,
ich plagt´ mich hier mit Münzen rum,
derweilen draußen in der Welt
den Reichtum man ganz anders zählt.

Das stimmt, ich hatte um mein Geld
mich kaum noch draußen blicken lassen.
Was auf der Welt jetzt so passierte,
das konnte ich nicht mehr erfassen.

„Ich sag dir ehrlich, wie es ist:
Die Münzen sind nur Vogelschiss!
Bring deine Peanuts nun zum Brummen
und mache daraus Riesensummen!
Werde Globalplayer, Weltenspieler,
wirf dich hinein in diesen Rausch!
Räum diesen ganzen Mist hier raus,
das wäre wahrhaft ein guter Tausch.
Die Stapel haben doch nur gestört.
Ich gebe dir den Gegenwert.“

So räumte ich zum zweitem Mal
den Münzschatz aus dem Sarkophag,
das fiel mir leicht, weil ich doch längst 
ganz ohne Deckel oben lag.
Jetzt war mir´s wieder recht gemütlich
in meinem kalten Steinesbett,
noch besser wärs, wenn man zum Kuscheln 
´ne kleine Unterlage hätt.

Dem wusst´ mein Diener abzuhelfen.
Er hatt´ im Koffer gleich dabei,
ein dickes, weiches Beutelchen,
dass mir mein Kopfkissen nun sei.
Was drinnen war, wollt ihr jetzt wissen?
Weiches Papier, auch ´Geld´ genannt,
auch Aktien, Schecks und andere Sachen,
die ich im Leben nie gekannt.

Auf allen standen Zahlen drauf
weit höher als der Münzen Wert,
die mir so endlos Mühe machten
und mich beim Schlafen so gestört´.

„Das kann ich aber nicht annehmen,
mein hochverehrter Sekretär.
Die Summe ist doch viel zu hoch,
solch Tausch beschämt mich aber sehr.
Na ja, gib her.


Was habe ich mit solch Papier
nun in der Zukunft anzufangen?
Ich hätte wirklich nichts dagegen,
zu noch mehr Reichtum zu gelangen.
Nun kläre mich ein wenig auf,
was ich am besten dafür kauf´.“

„Mein Freund, du weißt es, dass Papier
als Eigenwert dir gar nichts nützt.
Ich sage dir, dass trotzdem du
mit manch Papier die Welt besitzt. 
Ich habe dir Papier gegeben
für eine reichliche Million.
Das Tausendfache deiner Münzen.
Bin ich zu dir nicht wie ein Sohn?

Ich hab dich quasi über Nacht
zu einem Millionär gemacht.
Lässt du nun dieses schöne Geld,
wie´s mit den Münzen du getan,
in deinem kaltem Sarge liegen,
verschimmelt es und modert an.
Dann hast du dumm und unbedacht
um dein Vermögen dich gebracht.
Statt dich am Reichtum zu ergötzen,
bleiben dir nichts als ein paar Fetzen.

Drum gib es jenem Institut,
das aller Welt nur Gutes tut,
man nennt es Börse, wohlgemerkt,
weil man dort alles Geld bewegt.
Gib dein Vermögen dort hinein,
dies muss rein rechnerisch nur sein,
die Börse mög´s für dich verwalten.
Doch dein Papier kannst du behalten.
So wirst du selbst zum Globalplayer
und alle Welt verehrt dich sehr.
Glaub mir, dort wirken Wunderkräfte
und winken lohnende Geschäfte!

Aus allem kannst du profitieren,
kannst die Profite maximieren.
Glaub mir, das geht´s um andere Dinge,
als vormals deine Silberlinge.“

Vielleicht wär ich vorm Spekulieren
zuguterletzt zurück geschreckt.
Jedoch mein Diener kannte mich:
Ich hatte wieder Blut geleckt.
Von jeglichen Finanzmogulen
zog ich die besten nun zu Rate.
Mich jetzt in Fehlern zu verstricken,
das wäre wirklich jammerschade.
Ich hatte nichts Geringeres vor,
als meine Welt zurück zu kaufen, 
dann würd´ ich niemals wieder schlafen,
wenn jegliche Geschäfte laufen.
Denn eines hatt´ ich eingesehen:
So kann die Welt nicht weiter gehen.

Mein Eifer hat sich ausgezahlt,
das hab ich mir nicht ausgemalt,
das es so einfach ist auf Erden,
zum Multimilliardär zu werden.
Was immer ich hab ausprobiert,
das klappte alles wie geschmiert.
Nun wollt´ ich schnellstens die Sanierung
von meiner Welt in Angriff nehmen, 
damit nicht immer wieder Pannen
und Pleiten mir dazwischen kämen.

Bei den Gutachtern

Da hörte ich ganz nebenbei,
mit meiner Welt wär´s bald vorbei.
Die Pyramiden würden nun
im großen Ganzen umgestaltet,
der Himmel mache alles neu,
denn mein System wär jetzt veraltet.

Ich fragte meinen Sekretär,
was wirklich an der Sache wär.
Ich müsste mich auf solche Zeiten
ja voller Sorgfalt vorbereiten.
Doch der beschwichtigte mich nur:
Von Umgestaltung keine Spur.
Doch durft´ ich meinem Diener trauen?
Wird der mich in die Pfanne hauen?
Der hat mich oft schon ausgetrickst.
Rat brauch ich, da hilft alles nichts.
Expertenmeinung ist gefragt, 
weil´s Volk doch bloß Gerüchte sagt.
Ein Gutachten mit Hand und Fuß,
das ist es, was ich haben muss.

Da frag ich mal die Wissenschaft,
was sie von dieser Sache halte.
Denn ehrlich mal, mir wär es lieber,
blieb meine Welt noch lang die alte.
Die Brüder müssten´s schließlich wissen,
die waren überaus gelehrt.
Doch ich hab mangels Interesse
mich nie um deren Kram geschert.

„Zieh dich fein an!“, riet mir mein Diener,
„Benimm dich gut und halt dich grade.
Die Herren dort sind ziemlich nobel
und eingebildet. Das wär schade,
wenn sie dich alten Zausel sehen
recht hemdsärmelig vorm Plenum stehen.
Kann sein, dass die dich gleich vermessen
und alles mögliche aus dir pressen.
Sie sehen doch nicht jedes Jahr
so ein verschrobenes Exemplar.
Kommst als Objekt du in solch Haus,
dann kommst du niemals wieder raus.“

Tatsächlich, eben angekommen,
ward ich in Augenschein genommen.
Ich hatte mir zwar einen Anzug
von meinem Sekretär geliehen.
Doch irgendwie fiel denen auf,
dass meine Hosen Wasser ziehen.
Heißt´s nicht so, wenn die Hosenbeine
in dichten Falten um mich schlottern? –
und nun zu allem Überfluss,
da fing ich auch noch an zu stottern.

Der Außenwelt eher ungewohnt,
erschreckte mich dies feine Haus
und als ich streng gemustert wurde,
kriegt´ ich die Frage nicht heraus.

Ich hatte ja ganz selten nur
mit Neuzeitmenschen noch Kontakt.
Doch diese meine Wissenschaftler
hat gleich der Forscherwahn gepackt.
Der eine holt sein Messer raus,
ein anderer bringt sein Mikroskop,
ein Dritter brüllt im Korridor:
„Den schaff´ ich mein Biotop!“

Tatsächlich – alle fassten an
und zerrten an mir altem Mann
und schleppten rasch mich ins Labor.
Wie würdelos kam mir das vor.
Nun lag ich hier im Institut
und wurde emsig Tag und Nacht,
von einem Dutzend Geisteskranken
um meinen guten Schlaf gebracht.
Und was am meisten mich dran störte?
ass ich unendlich Schwachsinn hörte.

Ich kann das wirklich nicht beschreiben,
da fehlen sogar mir die Worte.
Da sagte einer steif und fest,
ich stammt´ aus Frankensteins Retorte.
Ein anderer, oh was für´n Graus,
der gab mich gar für Hitler aus.
Einer sah meine Füße an:
Ich wär ohn´ Zweifel Dshingis Khan.
Und eine Schwester weinte sehr:
Ob ich nicht gar der Jesus wär?

Dann wurde es langsam kriminell,
ein Anatom war jetzt zur Stell´
und wollt´ von innen mich beschauen.
Da packte mich denn doch das Grauen.
So kurz vorm Ziel im Weltenlauf,
da schneidet mich jetzt einer auf?
Die anderen aber protestieren:
Wir haben noch viel durchzuführen,
erst dieser Test – in jener Reihe,
und draußen warten auch noch zweie,
die sitzen schon drei Tage da
und woll´n zurück nach USA.

So ging das viele, viele Wochen
und ich bin fast zusammengebrochen.
Das heißt, dies wäre nicht gegangen,
war ja an Hand und Fuß gefangen.
Kam frei nur auf dem Weg zum Klo.
Doch musst´ ich nicht. Das ging auch so.
Benehmen macht mich nicht mehr heiß,
die testen so auch jeden Schmeiß.

Zuletzt hat man sich dann geeinigt,
dass endlich wird der Fall bereinigt
und dass mich jede Fakultät
vier Wochen durch die Mangel dreht.
Wär ich danach noch zu gebrauchen,
würd´ man in Formalin mich tauchen.
Man könnt´ mich auch in Plastik gießen.
Oder in einem Zoo ausstellen.
Oder als Dummy mich verschießen.
Doch vorher könnten die Studenten
für jede Forschung mich verwenden.

So ging´s ´ne Weile hin und her,
doch fehlte mir mein Steinsarg sehr.
Mein Glück war, dass ich alter Mann 
bald zu ´nem Philosophen kam.
Das war vielleicht ein Exemplar,
der stellte mich noch in den Schatten,
so dass wir beiden alten Säcke
nun ständig was zu kritteln hatten.

Er hatte bloß noch einen Zahn,
an den er mit der Zunge stieß,
so dass bei jedem klugen Satz
ein Spuckeschwall den Mund verließ –
und – höchste Weisheit stets zum Ziele,
sprach er der klugen Sätze viele.

Ich dachte: Mit dem kannst du reden.
Der ist recht meine Kragenweite.
Im Institut hingegen machte
das Reden mir gar keine Freude.
Ehrlich, ich wusste nicht mal mehr,
warum ich hingegangen war –
ja, nach der Endzeit wollt´ ich fragen,
wann die nun kommt, in welchem Jahr.
Doch damals konnte ich nicht ahnen,
das in des Wissens höchsten Zonen
wenig kuriose Spezialisten,
doch vorwiegend Verrückte wohnen.

Kurzum, der alte Philosoph
war noch von echtem Schrot und Korn,
doch leider war in seinem Kopf
manch kleines Schräubchen schon verloren.
Vorsichtig machte ich ihm klar,
dass von Geburt ich Engel war.

„Das weiß ich doch, mein kleiner Sohn.
Ich bin doch Gott und kenn dich schon.“

Oh Mann, jetzt war ich aber platt,
was Gott doch so für Macken hat.
Dann kamen wir so ins Gespräch
um diese oder jene Sachen.
Wie geht´s denn jetzt dem Herrn Homer
und was wird Sokrates jetzt machen?
Fängt Wolfi Goethe immer noch
mit jungen Weibern etwas an?
Und hat der Mao endlich mal
gegen den Fußschweiß was getan?

Was ich nicht wusste, wusste er.
Was er nicht wusste, wusste ich.
Das ist doch komisch, dacht´ ich mir.
er wildert mir wohl im Revier?

„Kann´s sein, das wir zwei alten Kerle
in einer Pyramide hausen?
Und nur durch unsern Kernbereich
sind wir mal drinnen oder draußen?
In meinen eigenen Kernbereich 
kann nimmermehr ein Fremder sein.“

„In meinen Sarkophag, mein Sohn,
da lade ich dich auch nicht ein.
Die Pyramide, die ist unser,
mein Steinsarg aber, der ist mein.


Also kann meine Pyramide …

nicht deine Pyramide sein.

Wenn´s denn so wäre, wie du meinst,
die Pyramiden wären gleich,
dann ständen beide Sarkophage
doch nie im gleichen Kernbereich.
Wären wir im gleichem Kernbereich,
so müssten wir uns überschneiden.
Doch mit dir altem Kerl im Bett,
das würd ich um den Tod nicht leiden.“

Wir stritten über Zeit und Raum
und kamen unter keinen Hut.
Wenn sich zwei solche Spezies streiten,
das geht nicht gut.
Denn immer wieder stritten wir,
wär von uns wohl zentraler wär
in unserer großen Pyramide,
in unserem Riesensteinemeer.
Ein Nebeneinander gibt es nicht,
es muss sich ineinander fügen.“

„Da geht ja nicht, sonst würde doch
ein kleiner Sarg im großen liegen.
Ja also, meiner ist der Größte!
Der war schon immer mein Vergnügen.“


„Du hast bloß meinen nie gesehen!
So kühl und fest, so glatt und schön!
Ich denke, meiner ist noch größer.
Und er steht ganz im Mittelpunkt.
Da lass ich mich nicht irre machen,
wenn einer mir dazwischen funkt.“

Wir kamen beide jetzt in Fahrt –
ich war schon gänzlich vollgespuckt –
und ihm die Spucke heimzuzahlen,
hat in den Fingern mir gejuckt.

Da hocken nun zwei hohe Geister
und bringen nichts als Streit zuwege,
bis wir uns endlich einig wurden:

„Es ist die Erde ein Gelege!“

„Es ist die Welt ein Eigelege?
Nun ja? Das kann man gelten lassen.
Denn im Gelege kann so vieles
auf einmal in die Mitte passen.“

So ging das ewig hin und her,
um alles stritten wir uns sehr.
Zuletzt hatt´ ich die Nase voll.
Mit einem Philosophen streiten,
der sich dazu für Gott noch hält,
das ist nicht toll.
Trotz jeglicher Gemeinsamkeiten –
das musst´ mir Übelkeit bereiten.

„Wir hören jetzt auf mit diesem Quark.
Ich geh jetzt heim, in meinen Sarg,
dass ich mal endlich wieder schlafe.
So´n Menschenbett ist eine Strafe.
Will mich aufs Ende vorbereiten,
die Welt vorher noch renovieren.
Soll keiner sagen, wenn ich wegtret´,
bei mir siehts aus wie bei den Tieren.“

„Und ich, mein Freund, muss mich beeilen,
der Welt noch Weisheit mitzuteilen.
Für meinen zwölften Doppelband 
´Philosophie in Götterhand´
musst´ ich noch etwas recherchieren.
Du hast mir sehr dabei geholfen.
Hochinteressant, dich zu studieren.
Was sagtest du? Wo kommst du her?
Ach, von den Tieren, von den Tieren.“

Ich bin dann flugs nach Haus geschlichen
und war gewaltig abgeschlafft,
In meine eigenen Welten schauen,
das kostet doch unheimlich Kraft.
Zwar war mein Ausflug nicht vorbei
in alle Wissenschafterei,
doch was ich sah, genügte mir.
Ja, bin ich wirklich auch so´n Tier?

Die beste Katastrophe

Zu Hause hab ich mich sogleich
in meinen schönen Sarg gelegt,
doch irgendwie war das heut anders,
als hätt´ im Sarg sich was bewegt.

Mein Kissen war ganz weich geworden,
nun, hart war´s längst nicht mehr gewesen.
Doch schien mein sanftes Ruhekissen
sich jetzt allmählich aufzulösen.
Das hieß Gefahr, denn schließlich war
im Kissen mein Vermögen drin.
Es nicht nicht gut, wenn die Papiere
in diesem Maße Blasen ziehn.
Ich wollte doch mit den Milliarden
mir meine Welt zurück erwerben.
Wollt alles neu und besser machen
und endlich dann zufrieden sterben.

In Eile rief ich meinen Diener:
„Was ist denn über Nacht passiert,
dass all mein herrliches Vermögen
jetzt seine Festigkeit verliert?

„Da musst du dir nicht Sorgen machen,“
erklärt der Diener würdevoll.
„Ein Lüftchen an den Börsenmärkten,
das sich schnell wieder regeln soll.
Die ganze Welt schießt Geld hinein,
als hochgelobte Wagenschmiere.
Meine Regierung sorgt dafür,
dass ich nicht all mein Geld verliere. „

„Ich glaub, du hast mich falsch verstanden.
Mein Geld ist doch nicht mehr vorhanden!“

„Meinst du, dass es mir besser geht?
Es hat der Wind sich halt gedreht.
Das hättest du doch sehen müssen, 
wie sehr sich dieser Schwindel bauscht!
Glaubst du, dass alles Weltvermögen 
von selbst in Himmelshöhen rauscht?
Die hergestellten Erdengüter,
sie decken nicht mal zehn Prozent.
Mehr als neun Zehntel sind Visionen, 
ist Gier, in die sich Mensch verrennt.“

„Das heißt, mein ganzer Reichtum war
nichts weiter als nur Illusion?
Ich wollte doch die Welt mir lösen!
Nun ist´s vorbei! Das war´s gewesen!

Dank dir auch schön, du Hundesohn!

Denn du bist schuld an der Misere!
Du bist der Schurke ganz allein!
Du hast mich dumm gemacht und hilflos –
nun gehen wir alle beide ein.
Wie herrlich wäre es gewesen:
Du bliebst der Diener, ich der Herr.


Ach, wenn ich doch nicht so verschlafen
und so vertrauensselig wär!“

„Mein Freund, ich muss dir widersprechen.
Ich gab mir allergrößte Mühe,
dass ich auf jede Art und Weise
dich ins aktive Leben ziehe.
Wie sollte das denn anders gehen,
als mit gelebter Gegnerschaft?
Allein auf harter Unterlage 
gewinnt der Mensch an Mut und Kraft.
Durch mich schufst du dein ganzes Elend.
Ich ließ dir deine Völker darben,
ich raffte sämtliches Vermögen,
damit all deine Pläne starben.

Ich machte müde dich und krank.
Machte dich alt und wunderlich,
um deine Demut dir zu schulen.
Mein Freund, das machte alles ich.
Ich war dein Heer, dass dich verlachte,
dein böser Richter war ich auch.
Ich war dein Freund und war dein Helfer,
ich war dein nasses Hemd am Bauch.


Ich war dir Gegner und Verräter
mit immer nur dem einem Ziel,
dass deine eigene Gotteskraft
auch ohne Licht sich bilden will.

Das Licht hast du dir selbst gedimmt
in deiner Pyramidenspitze,
doch ich hab dich degeneriert,
dass dir die alte Kraft nichts nütze.
Hab dir den Narren vorgespielt
im Part des alten Philosophen, 
ich spielte Gauner, Snob und Banker
und ungezählte mal den Doofen.

Ich hab mit Geld dich überschüttet
und alles wieder weggenommen, 
du solltest deine Schwächen leben 
und dann damit zur Stärke kommen.

Ich habe als dein Sekretär
dir jeden Schwachsinn installiert.
Ich gründete dir Sekten, Kirchen, 
und alles, was dich sonst verführt.
Du sahst mich stets als Kontrahent
und oft sogar als Parasit.
Ich ließ zu allem mich herab
und machte wirklich alles mit.

Stets hast du mich als Feind betrachtet,
doch wusstest dich geschickt zu tarnen.
Nur um des eigenen Nutzens willen
suchtest du stets mich zu umgarnen.
ja, manchmal warst du schon ein Schleimer
und oft ein alter Hagestolz,
Angeber – ach – und Besserwisser!
Doch das ist jetzt vorbei. Was soll´s.“

Jetzt hat er aber ausgepackt!
Wie prügelt er mich alten Mann.
Ob ich mit meinem Kontrahenten
mich irgendwann vertragen kann?
Das hätte er doch sagen müssen,
dass er den Beelzebub bloß spielt!
Ich war der vollsten Überzeugung, 
dass er bloß nach der Herrschaft schielt. 
Der Engel kam mir in den Sinn:
Die Welt ist einzig in dir drin.
Mein Leben jetzt ins Lot zu bringen,
das sollte mir doch wohl gelingen.

„Jetzt siehst du mich zerknirscht, mein Bruder.
Ich mag dich nicht mehr Diener nennen.
Jetzt, wo die Not am größten ist,
da lerne ich dich richtig kennen.
Wie habe ich dir mitgespielt
in meinen langen Wanderjahren
und weil du  zu mir ehrlich warst,
sollst du´s jetzt auch von mir erfahren.

Auch ich hab längst über dein Wesen
meine Gedanken mir gemacht.
Auch das war wenig schmeichelhaft,
was oft ich über dich gedacht.
Du warst mir niemals recht geheuer,
ich konnte niemals dich durchschauen.


Das, was als Herr ich mir erbaute,
hast du als Diener mir zerhauen.
Wenn ich, dein Herr, am Boden lag,
so halfest du mir auf die Beine.
In Wahrheit war nicht ich der Herr,
ich war der Hund an deiner Leine.

Was sich in deinem Sinn befand,
das gabst du mir zur Unterschrift.
So hast du meine Welt gestaltet
mit Katastrophen dicht an dicht.
Statt Sicherheit bekam ich Ämter,
statt Schutz bekam ich Rüstungswahn.
Hatt´ ein Dilemma ich verwunden,
fing gleich darauf ein größeres an.

Anstatt Gesundheit kriegt ich Pillen,
nie wusste ich, was drinnen steckt.
Statt Weisheit kriegt ich Wissenschaft,
das war der knalligste Effekt.
Statt Wahrheit kriegt ich Illusionen,
statt Glaubensnahrung nur Konfekt.
Freiheit blieb auf den Sarg beschränkt.
Gedacht wird, wer nicht selber denkt.

Doch stets hast du mir das gegeben,
was meine eigenen Kräfte stählt.
Du hast im Guten wie im Bösen
mir stets das Heilende erwählt.

Ich sage dir, wofür ich dich
die ganze Zeit gehalten habe:
Nun, für den Teufel höchstpersönlich,
des Schöpfers finsteren Wunderknaben.

So habe ich dich stets verachtet
und war doch ständig auf der Hut,
ich brauchte dich und deine Kräfte.
erkannte selber mich als gut,
erkannte dich als grundhaft böse,
als hinterlistig, raffiniert,
und hab doch mit den gleichen Kräften
mich selber ständig vorgeführt.

Nichts warst du als mein Spiegelbild.
Ja, du hast meine Welt geschaffen,
so konnte ich in meiner Welt
mein eigenes Elend nur begaffen.

Wenn ich jetzt schweren Herzens sehe,
wie alles nun zugrunde geht,
dann möcht´ ich´s gerne besser machen,
doch dafür ist es nun zu spät.“

„Was trauerst du um´s Weltenei,
dass es nun bald zerbrochen sei?
Kein Vogelpaar war je so dumm
und dreht sich nach der Schale um,
wenn nach der Brut die Küken schlüpfen
und frohgemut ins Leben hüpfen.
Was willst die Welt du restaurieren?
Noch ins Museum überführen?
Die tote Schale aller Wesen,
die Mittel nur zum Zweck gewesen?
Das Nest als solches, das wird schlecht,
nur die Gelege bleiben echt.“

„Ich hätte gar nicht mehr die Mittel,
mir meine Welt zu reparieren.
Ich hab die Währung aufgeweicht
vom allzu schlimmen Spekulieren.
Nie wieder käme mir in den Sinn,
dass ich so maßlos gierig bin.“

„Schau dir ein kleines Küken an.
Sobald es seine Schale sprengt,
ist zwar der Flaum noch etwas feucht,
doch gar kein Eiweiß zwischen hängt.
Es ist die Nahrung aufgebraucht
bis auf das allerkleinste Stück.
Was von der Welt dir nützlich war,
das nimmst du hochveredelt mit.
Lass die Figuren deiner Welt
ihre letztes Geld zusammenkratzen,
lass ihnen ihre Illusionen,
bald wird die Börsenblase platzen.“

„Dank dir, mein Freund. Mein liebster Bruder!!
Ich weiß vor Glück mich nicht zu fassen.
Wie hab ich viel tausend Jahre
durch Illusion mich täuschen lassen.
Wie habe ich mich ausgetobt
in meines Geistes Finsternis
und immer hab ich Furcht empfunden
und immer wieder Hass auf dich.
Stets warst du mir mein Gegenspieler,
ch war der Herr und doch dein Diener,
oder war´s grade umgedreht?
Egal – jetzt weiß ich, wie es geht.

Lass dich umarmen, Bruderherz!
Wir werden uns nie wieder trennen!
Wir waren eins die ganze Zeit,
ich konnte dies bloß nicht erkennen.“

„Moment, ich will dir noch was sagen, 
bevor als Eines wir erwachen:
Dein Engel Micha war ich auch.
Ich musste selbst den Engel machen.“

So standen lang wir beieinander,
mein ich verschmolz mit meinem Ich,
mein Sarkophag begann zu leuchten
in einem zarten gelben Licht.
Aus meiner Pyramidenspitze
war goldenes Licht hereingebrochen,
die alte Welt begann allmählich,
im eigenem Chaos hochzukochen.

Von alter Welt befreite sich
die Erdenmutter wundersam.
Zusehens zerfiel die Illusion.
Die Wirklichkeit Gestalt annahm.

Bis fern ich eine Stimme hörte
sehr hell und weit und hocherfreut:
Kommt her und schaut! Die Blase platzt!
Geboren wird die neue Zeit!

weiter gehts im Teil 3

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