Dunkler Drachen

Dunkler Drachen tief in mir,
stumm und gut verborgen,
bist der Puffer meines Glücks,
Wahrer meiner Sorgen.
Wenn ich mich verfangen will
im lustigem Tralala
blitzt kurz auf dein Feuerauge:
„Ich bin noch immer da.“

Will mein irres Wunschgestrüpp
bis zum Himmel wachsen,
knurrt es dumpf in meinem Bauch:
„Mache keine Faxen.“

Hebe ich zu oft das Glas
in gar froher Runde,
ist er selbst hellwach dabei
und hat seine Stunde.
Und will ich ihm trotzen,
so lässt er mich kotzen.

Ich habe ihn nie wahrgenommen
in den vielen Jahren,
dabei musste vor dem Absturz
er allzeit mich bewahren.

Schwarzer Drache tief in mir,
wer möchte dich wohl schätzen?
Deine messerscharfen Zähne
werden stets verletzen.

Jeden stolzen Plan kannst du
schnell mir ruinieren,
jede ausgefuchste Sache
ins Absurde führen.

Darum bin ich gut beraten
bei allen Schand- und Heldentaten
den Blick zu dir zu wenden:  
Du mögest Rat mir senden.

Du bist mein größtes Hindernis
In meinen stolzen Plänen.
Werd´ ich zu arger Tat verführt,
Betrug, Verleumdung ungeniert
und andere dumme Sachen,
brauch ich nur zu erwähnen:
„Ich habe einen Drachen.“
Dann ist nichts mehr zu machen.

Ich wusste früher nichts von dir.
Ich wäre ja schockiert,
wär mir bekannt, dass mich ein Drache
zur Hälft´ durchs Leben führt.

Ich hätte stets danach gestrebt,
dich endlich rauszujagen,
um all mein Tun unkontrolliert
schön vor mir herzutragen.

Ich hätte es schon hingekriegt,
mir selber toll zu huldigen,
um alles Dreckige, Gemeine
in mir selbst zu entschuldigen.

spätrömische Dekadenz

Da stehst du schwarzer Drache vor,
Zerstörer und Beräumer.
Du schützt das innere Menschenkind,
den schwach-naiven Träumer.
Göttliches wird aus dir geboren,
 wer dich nicht hat, der ist verloren.

Oh nein, ein rein´s Gewissen
ist kein sanft´ Ruhekissen.
Er ist die wahre Lebenskraft,
die stets in uns das Gute schafft.

Er ist nicht freundlich, ist nicht zart.
Er ist verbissen, kalt und hart.
Fäulnis lässt er nicht zu.
Er wirkt und schleifet unentwegt,
bis Leben sich im Herzen regt.
Bis Mitgefühl und edle Pflicht
ein Mensch in sich verinnerlicht.
Dann gibt er endlich Ruh.

Mensch starrt dann voll Verwunderung
auf all die Drachen um sich rum,
die ihm nun sichtbar werden.
Die Spiegel seines inneren Ichs,
seiner Schulzeit hier auf Erden.

Der Dekadenz folgt Niedergang der Kulturen …

Er muss sie nicht mehr fürchten
und er muss sie nicht mehr hassen.
Er kann in Ruhe sie betrachten
und sie dann ziehen lassen.

Noch stehen sie mir groß im Blick,
weil sie mich faszinierten,
weil ihre Wesen in mir selbst
Ihr Eigenleben führten.

Schau wie begeistert alle Welt
dem Tier zu Füßen liegt!
Erst wenn ich meinen Drachen kenne,  
habe alles ich besiegt.

All die Gelüste und Begierden,
sie hielten mich gefangen.
Nur einzig meines Drachens Kräfte
sie in die Flucht nun zwangen.
Nie hätte ohne Drachen ich  
zur Freiheit können gelangen.

Was wäre die Welt rings um mich her,
wenn sie nicht grad so in mir wär?
Du spiegelst meine Defizite
und meine schwachen Seiten,
zeigst  mir die Wahrheit gnadenlos,
drum konnt´ ich dich nie leiden.

…folgt Fäulnis

Du bist mein trübster Bodensatz
aus längst durchlebten Leben.
Könnt´ unbekümmert eine Seele
daraus ins Dasein streben?
Du bist die reinste Liebe,
die alles auf sich nimmt.
Verborgen ist dein glühend´ Licht,
im Panzer schwarz gedimmt
.  

Ein ungereiftes Menschenkind
würde dich nie verstehen.
So bleibst du allzeit ganz verborgen
und lässt dich niemals sehen.

Im Außen spiegelst du dich gern
In grausigem Gehabe.
Am liebsten trüge dich die Welt
für immer bald zu Grabe.

Der eine Mensch verachtet dich,
ein anderer umschmachtet dich,
um ähnlich dir zu werden.
Er sieht nur deinen schlimmen Schein,
doch nimmermehr dein wahres Sein.

Du bist die Null, das Negativ.
Aus dir musst alles entspringen.
Es könnte alles Dasein nicht
ohn´ Untergrund gelingen.
So will ich Dank dir sagen
für deine treue Wacht.
So wie ich dich verachtete,
so gabst du auf mich Acht.

2015

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